Definition von Skin Tears
Einrisse fragiler Haut (Skin Tears) sind akute, traumatische Wunden, die sich ohne adäquate Behandlung zu komplexen und chronischen Wunden entwickeln können (Idensohn et al., 2019a). Oft werden sie im klinischen Setting nicht erkannt und nicht ausreichend gemeldet (LeBlanc und Baranoski, 2017; Wounds UK, 2020), was zu einer falschen Diagnose und einem inadäquaten Management führen kann. Daraus kann wiederum eine suboptimale Intervention und eine verzögerte oder unpassenden Behandlung resultieren. Es ist erwiesen, dass bei Skin Tears oft nicht die erwartete Wundheilung erreicht wird (LeBlanc und Baranoski, 2017). Durch geeignete und oft simple Präventionsmaßnahmen sind Skin Tears jedoch weitgehend vermeidbar und sprechen gut auf Interventionen an (Mangan und Shoreman, 2021).
Die Inzidenz von Skin Tears wird auf 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt (Serra et al., 2018). Die Prävalenz schwankt Schätzungen zufolge je nach Versorgungssetting zwischen 1,1 % und 41,2 %; die höchste Prävalenz wird in Langzeitpflegeeinrichtungen berichtet (Van Tiggelen und Beeckman, 2022). Die Prävalenz und Inzidenz von Skin Tears ist mit jener von Dekubitalulzera vergleichbar. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie sogar häufiger als Dekubitalulzera auftreten (Carville et al., 2014; LeBlanc et al., 2016; Woo und LeBlanc, 2018). Schlecht heilende Wunden, darunter auch Skin Tears, wirken sich durch persistierende Schmerzen, emotionale Belastung, Schamgefühl, Infektionen und verminderte Lebensqualität erheblich auf das Leben der betroffenen Patienten aus (Serra et al., 2018).
Das International Skin Tear Advisory Panel (ISTAP) definiert Einrisse fragiler Haut (Skin Tears) als traumatische Wunden, die durch mechanische Kräfte, wie etwa die Entfernung von Klebstoffen, verursacht werden. Der Schweregrad kann je nach Tiefe variieren (nicht über die subkutane Schicht hinaus) (LeBlanc et al., 2018). Skin Tears werden mitunter auch als Schnittwunden, Lazerationen, Schürfwunden und Hautabschürfungen bezeichnet (Rayner et al., 2015; Jansz et al., 2022); es fehlt daher in einigen Settings an einer standardisierten Terminologie für Definitionen und Klassifizierungen, was die Behandlung von Skin Tears durch die fehlende standardisierte Dokumentation und Kommunikation weiter erschwert (LeBlanc et al., 2018). Skin Tears können oberflächlich (Ablösung der Epidermis von der Dermis) oder tief (Ablösung sowohl der Epidermis als auch der Dermis von den darunter liegenden Strukturen) sein und werden entweder als unkompliziert (Heilung innerhalb von 4 Wochen) oder kompliziert (chronisch [d. h. keine Heilung innerhalb von 4 Wochen]; LeBlanc et al, 2018) klassifiziert.
Skin Tears treten am häufigsten bei älteren Personen auf, können aber Personen jeden Alters betreffen, auch Neugeborene und Kleinkinder sowie Personen mit schweren oder chronischen Erkrankungen (LeBlanc und Baranoski, 2017). Es gibt Fälle, in denen keine offensichtliche Ursache festgestellt werden kann; Skin Tears können jedoch durch verschiedenste mechanische Kräfte wie Scherkräfte und Reibung verursacht werden, darunter stumpfe Traumata, Stürze, schlechte Lagerung, Transfertechniken, Verletzungen durch Rollstühle/Geräte und die Entfernung von klebenden Wundverbänden (LeBlanc et al., 2018). Auch der normale Alterungsprozess kann dazu führen, dass die Haut fragil und anfällig für Schäden wird, bei Personen mit empfindlicher Haut besteht insbesondere ein erhöhtes Risiko für Skin Tears (Beeckman et al., 2020). Es gibt sowohl intrinsische als auch extrinsische Risikofaktoren, die mit Skin Tears einhergehen [Kasten 1]. In erster Linie muss hier der Schwerpunkt auf der Kontrolle modifizierbarer Risikofaktoren liegen, um die Hautgesundheit zu erhalten und Verletzungen zu vermeiden (LeBlanc und Baranoski, 2017).
Verzerrungsfaktor Hautfarbe bei der Wundversorgung
Es ist ein globales Phänomen, dass Hautveränderungen bei Personen mit dunkler Hautfarbe nicht schnell genug festgestellt werden (Dhoonmoon et al., 2021). Altersbedingte Hautveränderungen wie Ekchymose und senile Purpura sind nachweislich Risikofaktoren für Skin Tears (LeBlanc et al., 2021). Bei dunklen Hauttypen gestaltet sich die Erkennung dieser Risikofaktoren als schwieriger. Wenn keine Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, kann es zu Hauteinrissen kommen. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass dunkle Haut aufgrund von Unterschieden beim transepidermalen Wasserverlust einen niedrigeren basalen Wassergehalt aufweist als helle Haut (Alexis et al, 2021; Peer et al, 2022). Ein geringerer Wassergehalt kann bei dunkler Haut zu einer erhöhten Anfälligkeit für Dekubitalulzera führen, was auf Unterschiede in der Biomechanik der Haut zurückzuführen ist (Gefen, 2023). Diese Erkenntnisse könnten auch auf Skin Tears zutreffen, was wiederum den Bedarf an Präventions- und Behandlungsstrategien für Skin Tears bei verschiedenen Hautfarben unterstreicht.
Diskrepanzen aufgrund der Hautfarbe könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Protokolle zur Hautbeurteilung bei dunkler Haut nur ungenau befolgt werden (Oozageer Gunowa et al, 2018). Alles in allem besteht ein erhebliches Defizit an Know-how und Standards, um Versorger bei der Identifizierung und Behandlung von Dekubitalulzera bei Personen mit dunkler Hautfarbe zu unterstützen.
Die Feststellung der Ausgangshautfarbe ist ein wichtiger Bestandteil der ersten Hautuntersuchung und der ganzheitlichen Wundbeurteilung (Dhoonmoon et al., 2021). Da Personen mit dunkler Hautfarbe in Ermangelung einer soliden, evidenzbasierten Haut- und Wundpflege offensichtlich benachteiligt sind, sollte ein validiertes Klassifikationsinstrument für eine genaue Beurteilung und frühzeitige Erkennung von Hautschäden verwendet werden, z. B. das Tool zur Feststellung des Hauttons [Abbildung 1; übernommen aus Ho und Robinson, 2015].
Personen, die Minderheiten angehören, sind oft Vorurteilen oder Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe ausgesetzt, die auf negativen Assoziationen mit ihrer Hautfarbe beruhen, was als im Englischen als „shadism“, „skin tone bias“, „colourism“ (dt. Kolorismus) und „pigmentocracy“ (dt. Pigmentokratie) bekannt ist (Mswela und Nothling-Slabbert, 2013; Tambala-Kaliati et al, 2021; Aborisade, 2022). Daher sollten Versorger bei der Beschreibung der Hautfarbe jegliche Metaphern oder Vergleiche, etwa den unangemessenen Vergleich der Hautfarbe mit Lebensmitteln (z. B. Kakao und Kaffee), unbedingt vermeiden. Stattdessen sollten ein objektives Maß und eine neutrale Terminologie verwendet werden. Das Tool zur Feststellung des Hauttons kann Versorgern dabei helfen, auf Unterschiede bei der Hautfarbe und nicht auf die ethnische Zugehörigkeit zu achten und sich bei der Kommunikation mit den Patienten respektvoll auszudrücken.
Klassifizierung von Skin Tears
Es gibt zwar kein allgemein anerkanntes System zur Klassifizierung von Hauteinrissen, aber nützliche Tools. Um dem Bedarf an einem benutzerfreundlichen und einfachen Instrument nachzukommen, entwickelte das ISTAP ein System zur Klassifikation von Skin Tears (LeBlanc et al., 2013), das psychometrisch geprüft wurde und Skin Tears in drei Kategorien unterteilt [Abbildung 2]: Typ 1 (kein Hautverlust; linearer oder aufklaffender Hauteinriss, der über das Wundbett gelegt werden kann), Typ 2 (Teilverlust des Hautlappens; keine Abdeckung des Wundbetts möglich) oder Typ 3 (totaler Verlust des Hautlappens; das gesamte Wundbett liegt frei). Das validierte Klassifikationssystem wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, und Van Tiggelen et al. (2020) empfehlen, das ISTAP-Klassifikationssystem als universelle Terminologie zur Beschreibung und Dokumentation von Skin Tears in der klinischen Praxis zu übernehmen.
Beurteilung von Skin Tears bei dunkler Hautfarbe
Die rechtzeitige und sorgfältige Identifizierung von Personen mit einem Risiko für Skin Tears ist ein entscheidender Faktor, ebenso wie eine genaue, umfassende und lückenlose Dokumentation (Beeckman et al., 2020; Van Tiggelen und Beeckman, 2022). Die Beurteilung von Skin Tears bei Personen mit dunkler Hautfarbe ist jedoch schwierig, und es fehlt an besseren edukativen Maßnahmen und Studien. Es ist erwiesen, dass Pflegefachkräfte häufig erhebliche Wissenslücken in Bezug auf Skin Tears haben und sie daher unzureichende Präventionsmaßnahmen und inadäquate Therapieoptionen ergreifen (Charbonneau et al., 2022). Im Rahmen eines Audits wurden auch Wissenslücken von Versorgern beim Management von Skin Tears der unteren Gliedmaßen festgestellt (Vernon et al., 2019). Es ist weithin bekannt, dass Versorger nicht ausreichend über Skin Tears aufgeklärt sind, und es gibt bis dato keine klinischen Studien zur Bewertung der Expertise zu Skin Tears bei Patienten mit dunkler Hautfarbe.
Die Bewertung des Risikos von Skin Tears bei Personen mit dunkler Hautfarbe stellt eine besondere Herausforderung an das Gesundheitswesen dar. Die unterschiedliche Hautfarbe ist ein grundlegender Aspekt von Bevölkerungsgruppen und es ist von wesentlicher Bedeutung, ihre Implikationen bei der Bewertung der Hautgesundheit und der Anfälligkeit für Läsionen zu erkennen und zu verstehen. Eine der Hauptschwierigkeiten besteht darin, kleinste Veränderungen der Hautintegrität und -farbe genau zu erkennen [Abbildung 3]. Herkömmliche Methoden der Hautbeurteilung stützen sich häufig auf visuelle Anzeichen wie Rötungen, Verfärbungen oder Veränderungen der Hauttemperatur, um potenziell gefährdete Areale zu ermitteln. Diese visuellen Indikatoren können jedoch je nach Hautfarbe stark variieren; so sind etwa Anzeichen von Ekchymose oder seniler Purpura bei Personen mit dunkler Hautfarbe aufgrund einer stärkeren Melaninpigmentierung mitunter weniger auffällig (Dhoonmoon et al., 2021).
Erytheme dienen herkömmlicherweise als Erkennungsmerkmal für Hautareale, die infiziert sind oder andere Anomalien aufweisen. Bei vielen Hauttypen, insbesondere bei dunklen Hauttypen, erscheint ein Erythem jedoch nicht immer als “Rötung” und kann bei der ersten Beurteilung leicht übersehen werden. (Dhoonmoon et al., 2023). Bei Menschen mit dunkler Hautfarbe kann es auch zu einer postinflammatorischen Hyperpigmentierung kommen, die zu verdunkelten Bereichen um die verheilte Wundstelle herum führt. Diese Hyperpigmentierung ist zwar in der Regel vorübergehend, kann aber mehrere Monate andauern. Keloide oder hypertrophe Narben treten bei Personen mit dunkler Hautfarbe ebenfalls häufiger auf, weshalb die Wunden genau überwacht werden müssen und bei Bedarf ein angemessenes Narbenmanagement erfolgen sollte.
Versorger müssen bei Personen mit dunkler Hautfarbe unbedingt auf visuelle wie auch taktile Anzeichen für andere Indikatoren einer Läsion achten, z. B. violette/blaue/graue Verfärbungen und Temperaturveränderungen. Bei der Untersuchung von Patienten sollten generell, unabhängig von ihrer Hautfarbe, alle fünf Sinne – insbesondere der Tast- und Gehörsinn – zum Einsatz kommen. Die Versorger müssen die Patienten über ihre Haut befragen und auf ihre subjektiven Probleme hören, etwa Spannungsgefühl, Gefühlsveränderungen und Schmerzen, Beschwerden oder Taubheitsgefühl im betroffenen Bereich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die kulturelle Sensibilität im Zusammenhang mit der Hautfarbe und ihre möglichen Auswirkungen auf die Hautbeurteilung. Kulturelle Überzeugungen, Normen und Vorurteile können sich darauf auswirken, wie eine Person ihre Hautprobleme wahrnimmt und ausdrückt (Buster et al., 2012). Medizinische Fachkräfte müssen sich dieser Faktoren bewusst sein und bei der Hautuntersuchung mit Einfühlungsvermögen und Respekt vorgehen, um eine genaue Risikobewertung zu gewährleisten. Deshalb sind kontinuierliche edukative Maßnahmen für medizinische Fachkräfte erforderlich, die die Bedeutung der Hautfarbe bei der Beurteilung des Risikos für Skin Tears klar vermitteln. Dazu gehören Unterschiede bei der Hautanatomie, die Grenzen von Bewertungstools sowie ein umfassendes Verständnis kultureller Eigenheiten und ihrer Auswirkungen auf die Patientenversorgung (Buster et al., 2012).
Behandlung von Skin Tears bei dunkler Hautfarbe
Ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von Skin Tears sind Hauteinrisse in der Vorgeschichte und altersbedingte Hautveränderungen (LeBlanc et al., 2021). Da sich diese Veränderungen bei Personen mit dunkler Hautfarbe anders manifestieren können (Dhoonmoon et al., 2021), müssen Versorger unbedingt auf kleinste Veränderungen bei dunkler Hautfarbe achten, die damit einhergehenden Risiken für Skin Tears erkennen und Programme zur Prävention von Skin Tears implementieren.
Zur Orientierungshilfe bei klinischen Entscheidungen müssen sich Versorger an die internationalen Best-Practice-Leitlinien zur Prävention und Behandlung von Skin Tears halten (LeBlanc et al., 2018). Best-Practice-Leitlinien fördern die Standardisierung, die ein entscheidender Faktor ist, da Unterschiede in der Versorgung häufig zu einer mangelhaften Untersuchung und Dokumentation, falschen Diagnose, ineffizienten Nutzung von Therapiepfaden und einem erhöhten Chronifizierungsrisiko führen (Mangan und Shoreman, 2021).
Für medizinisches Fachpersonal ist es von entscheidender Bedeutung, das Wundmanagement von der ersten Beurteilung an richtig zu gestalten (Guest et al., 2020), da das Ziel des Skin Tear – Managements darin besteht, das Infektionsrisiko zu minimieren und die Wunde zu schließen (Stephen-Haynes und Callaghan, 2017). Die Untersuchung der Ausgangshautfarbe ist daher ein wesentlicher Faktor, ebenso wie Kontrollen und Nachuntersuchungen. Die Behandlung von Skin Tears ist multifaktoriell und konzentriert sich auf eine angemessene evidenzbasierte Hautpflege, die Aufklärung von Personal und Patienten über Skin Tears und regelmäßige Nachuntersuchungen (LeBlanc et al., 2018; Rando et al., 2018).
Grundsätze des Managements von Skin Tears
Ziel der Behandlung und des Managements von Skin Tears sollten die Erhaltung des Hautlappens, die Bewahrung der wundumgebenden Haut, die Adaptation der Wundränder (ohne die Haut zu dehnen) und die Minimierung des Infektionsrisikos/weiterer Läsionen sein, und zwar unter Berücksichtigung etwaiger Komorbiditäten (LeBlanc et al., 2018). Zu Beginn der Behandlung sollte zudem auf Blutungskontrolle, Wundreinigung und -debridement, Infektions-/Entzündungsmanagement, Feuchtigkeits-/Exsudatkontrolle und Überwachung des Wundrands/-verschlusses geachtet werden [Kasten 2].
Präventionsprogramme für Hautläsionen sollten einem multidisziplinären Ansatz folgen und verschiedenste Fachkräfte einbeziehen, z. B. Pflegefachkräfte, Versorger, Wundspezialisten, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Ernährungsberater und Apotheker (Van Tiggelen und Beeckman, 2022). Alle Versorgungssettings müssen ein Protokoll erstellen und implementieren, das alle Mitglieder des klinischen Teams befolgen können, um eine einheitliche Behandlungvon Skin Tears zu gewährleisten. Es ist erwiesen, dass Implementierungsstrategien, z. B. ein Wundmanagement-Paket für Skin Tears oder Aufklärungsprogramme für Versorger und Patienten, Best Practices und frühzeitige Interventionen fördern können, was den Patienten zugutekommt, etwa durch eine bessere Lebensqualität (Mangan und Shoreman, 2021; Jansz et al., 2022).
Patientenaufklärung
Es ist erwiesen, dass die Patienten durch ihre Einstellung und Verhaltensweise zum Behandlungserfolg bei Skin Tears beitragen können (Varga et al., 2022). Daher ist es wichtig, dass Versorger ihre Patienten aktiv in die Pflege einbeziehen und sie darüber aufklären, wie sie altersbedingte Hautveränderungen erkennen können, welche Auswirkungen Medikamente haben, welche Möglichkeiten des Selbstmanagements es gibt und welche Maßnahmen sie für die Prävention und das Management von Hauteinrissen ergreifen können. Die Patienten müssen auch lernen, auf ihre Umgebung zu achten, potenzielle Risiken zu erkennen, ihre eigene Haut zu beobachten und im Falle eines Hautrisses grundlegende Erste Hilfe zu leisten, d. h. die Blutung stoppen, die Wunde reinigen, die Wunde abtupfen anstatt sie abzuwischen, und stark klebende Pflaster vermeiden (Deprez und Beeckman, 2022).
Produktauswahl und Silikonverbände
Laut ISTAP ist bei der Behandlung von Skin Tears ganz besonders auf die Auswahl des Verbandmittels zu achten (LeBlanc und Woo, 2022). Das ideale Verbandmittel für Skin Tears sollte einfach zu entfernen und anzulegen sein, beim Entfernen kein Trauma verursachen, ungiftig sein, eine Schutzbarriere gegen Scherkräfte bilden, ein optimales Milieu für die Heilung schaffen, flexibel sein und sich an die Wundkonturen anpassen, ein adäquates Exsudat- und Infektionsmanagement sowie eine längere Tragezeit ermöglichen (Wounds UK, 2022).
Die aktuelle Best Practice für die Behandlung von Skin Tears empfiehlt die Anwendung von Silikon-Wundkontaktschichten und/oder Wundverbänden mit Silikonkleber (LeBlanc et al., 2018). Laut einer Studie fördern Silikonverbände die Wundheilung und den Wundverschluss, indem sich der erwartete Heilungsverlauf einstellt, und zwar mit einer kürzeren Dauer bis zum Wundverschluss und einer schnelleren durchschnittlichen Heilungsdauer im Vergleich zu anderen Verbandmitteln (LeBlanc und Woo, 2022). Siehe Kasten 3 für Tipps zur Anwendung von Wundkontaktschichten auf Silikonbasis oder Silikon-Schaumverbänden bei Skin Tears. Versorger sollten die Anwendung von weniger stark haftenden Verbandmitteln in Erwägung ziehen, um Hautstripping beim Verbandwechsel zu vermeiden, insbesondere bei Personen mit empfindlicher Haut. Verbandmittel, die bei Skin Tears nicht empfohlen werden, sind Jodverbände, Hydrokolloidverbände und Mull (Idensohn et al., 2019b).
Schlussfolgerung
Einrisse fragiler Haut (Skin Tears) stellen sowohl für die Patienten als auch für die Versorger ein großes Problem dar. Versorger verharmlosen ihre Auswirkungen jedoch häufig und es bedarf einer Änderung dieser abwertenden, unterschätzenden und trivialisierenden Sichtweise in Bezug auf Skin Tears. Sie verursachen Schmerzen, Leidensdruck und Angst und da Hautveränderungen bei Personen mit dunkler Hautfarbe generell nicht schnell genug erkannt bzw. dokumentiert werden, sind diese Patienten zusätzlich erheblich benachteiligt. Daher müssen wir uns auf die verstärkte Sensibilisierung und bessere Umsetzung von evidenzbasierten Präventions- und Managementstrategien konzentrieren, damit alle Patienten mit Skin Tears die richtige Behandlung zur richtigen Zeit erhalten.
Darüber hinaus sollten sich die Forschung und Entwicklung auf inklusive Beurteilungsverfahren und -tools konzentrieren, die ein breites Spektrum an Hautfarben berücksichtigen. Dazu gehören die Weiterentwicklung von Bildgebungstechnologien, die Formulierung standardisierter Beurteilungsrichtlinien speziell für dunkle Hauttöne sowie die Aufnahme verschiedener Hautfarben in medizinisches Lehrmaterial. Fazit ist, dass die Bewertung des Risikos von Hauteinrissen bei Personen mit dunkler Hautfarbe überaus komplex ist und Einfühlungsvermögen, Fachwissen sowie eine diskriminierungsfreie Behandlung voraussetzt. Wir müssen uns der besonderen Herausforderungen bewusst sein, denen Patienten mit dunkler Hautfarbe ausgesetzt sind, in Forschung und Ausbildung investieren und die Inklusion in der medizinischen Praxis fördern, um eine genauere und effektivere Risikobewertung von Skin Tears bei allen Patienten zu erreichen.